Rudern und Gesundheit
Rudern ist eine der gesündesten Sportarten überhaupt.
Rudern belastet den gesamten Bewegungsapparat des Körpers relativ gleichmäßig, hat eine enorme Trainingswirkung und das bei fließenden Bewegungen ganz ohne die schädlichen Stöße, die bei vielen anderen Sportarten belastend auf Muskeln, Bänder und Gelenke einwirken.
Rudern aus sportmedizinischer Sicht
Wer hat nicht noch die tollen Bilder des Olympischen Endlaufs des Deutschlandachters in London 2012 vor Augen? Die Goldfahrt im Mutterland des Rudersports hat das mediale Interesse hierzulande deutlich gefördert, ist die Kraftausdauersportart doch von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter ein gesunderhaltender Sport.
Rudern ist durch einen gleichmäßigen und zyklischen Bewegungsablauf charakterisiert. Nach dem Schwimmen werden beim Ruderschlag die meisten Muskeln beansprucht (Gesamtanteil: ca. 63-68 %). Im Training wird viel Wert auf extensives Ausdauertraining mit Technikschulung und – gerade in den letzten Jahren vermehrt – auf Maximalkrafttraining gelegt. Die klassische Strecke beträgt 2.000 Meter, in der vor allem eine partiell anaerobe Belastung von Bedeutung ist. Laktatwerte von 17-20 mmol werden gemessen. Mit 28 mmol Laktat wurde im Frühjahr 2007 bei einem individuellen Ergometertest der wohl höchste Wert bei einem Hochleistungsruderer gemessen. Die olympischen Bootsklassen sind mit 14 Booten besetzt, bei Weltmeisterschaften mit 20 Bootsklassen. Seit 2008 ist Rudern als Vierer mit, Doppelzweier und Handicapeiner im Paraolympischen Programm.
Akute Verletzungen
Ausgenommen von sehr seltenen Bootskollisionen mit schweren Prellungen und Frakturen von Extremitäten und Thoraxkontusionen sind nur leichte Verletzungen wie Hautschürfungen, Blasenbildung, insbesondere an Händen und Gesäß, bekannt. In den durchgeführten Ausgleichssportarten, zum Beispiel Fußball und Basketball, kommt es zu Distorsionen oder Prellungen der unteren Extremitäten.
Chronische Verletzungen
Hierzu zählt zu 50% die Wirbelsäule. In einer Studie an 20 Leistungsruderern aus Irland über ein Jahr wird die Lendenwirbelsäule mit 31,8 %, die Halswirbelsäule mit 11,3 % und die Knie mit 15,9 % bei einer Verletzungshäufigkeit von 3,67 auf 1.000 Stunden angegeben. Hierbei muss aber die hohe Trainingsstundenzahl pro Tag im Leistungssport berücksichtigt werden.
Vor allem beim Riemenruderer (jeder Ruderer hat ein Riemen in der Hand) ist der lumbosakrale Übergang durch das Eindrehen des Oberkörpers in der Auslage mit anschließender gekoppelter Kraftaufnahme ein typisches Verletzungsmuster, während beim Skullen (jeder Ruderer hat zwei Skulls in der Hand) die Brustwirbelsäule mit rezidivierenden Blockierungen ein häufiges Problem darstellt. In beiden Bereichen werden immer wieder Tendovaginitiden im Bereich der Unterarme („rowers wrist“) und eingeschlafene Hände beklagt. Letztere durch Muskelverkürzungen im Bereich der Hals-Nacken- und Brustmuskulatur (M. pectoralis minor) mit den dadurch verbundenen Nervenkompressionen im Bereich des Plexus brachialis und dessen abgehenden Nerven.
Kniebeschwerden treten vermehrt beim Ergometer-Training auf. Zumeist ist das zu weite In-die-Auslage-Gehen und der dadurch erhöhte Druck im femopatellaren Bereich die Ursache. Zu finden sind hierbei Patellaspitzensyndrome, Chondropathiae patellae sowie Muskelverspannungen des Quadriceps und der „Hamstrings“.
Spezielle Rolle des betreuenden Arztes
Wie in jeder Sportart ist die sportliche Ausübung und damit die Kenntnisse des Bewegungsablaufs und der Kräfteverteilung seitens des zuständigen Arztes empfehlenswert; ist doch das freie Zusammenspiel der Muskelketten entscheidend für die optimale Rudertechnik. Dazu zählt die frühzeitige und konsequente Therapie durch Arzt und Therapeut von Blockierungen, Muskelverspannungen, Ansatzschmerzen und verminderter Muskelansteuerung durch Nervenkompression – und das in Zusammenarbeit mit dem Trainer, dem Bewegungsveränderungen des Ruderers zuerst auffallen.
Die Kontraindikationen für das Rudern, wie in früheren Publikationen dargestellt, bei Osteochondrosen, NPPs, Spondylolisthesen 2.-3. Grades müssen individuell betrachtet werden. Auch im Hochleistungsbereich, sprich unter den Olympiateilnehmer 2008 und 2012, sind Sportler mit solchen Diagnosen zu finden, die mit konsequenten Therapieformen und unter sportmedizinisch-orthopädischer Kontrolle ihren Sport ohne Probleme durchführen konnten und können.
Aus allgemeinmedizinisch-internistischer Sicht müssen die üblichen Erkrankungen, wie sie in einer Outdoorsportart vorkommen, behandelt werden. Nicht zu unterschätzen sind die durch die hohe Anzahl der Sportler (ca. 90 bei einer WM) auftretenden Epidemien und deren konsequente Behandlung: Quarantäne/Gesundheitsmanagement wie beispielsweise bei einer Norovirusepidemie während der Ruder-WM in Bled 2011 sowie bei einer schweren Grippeviruserkrankungen bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Bei der jeweiligen oralen und infiltrativen Medikamentengabe sind die Kenntnisse der Antidoping-Regularien der NADA/WADA essenziell.
Prävention
- individuelles Übungsprogramm abgestimmt auf die muskulären Defizite und orthopädischen Probleme des Sportlers (Zusammenarbeit Arzt – Therapeut – Athlet)
- Stabilisationstraining/dynamische Gymnastikeinheiten in der Gruppe
- bedarfsorientierte Kleidung und Ernährung
- Trinkflaschenhygiene
Über den Autor:
Dr. Ulrich Kau, Facharzt für Allgemeinmedizin, Zusatzbezeichnung Sportmedizin, Chirotherapie, Notfallmedizin, eigene Praxis seit 2001, GOTS-Mitglied seit 2004, Mannschaftsarzt des Deutschlandachters seit 2002, Ltd. Verbandsarzt des DRV seit 2006, DBS Arzt Rudern seit 2008, Freier Mitarbeiter SMI Frankfurt und OSP Westfalen, Lehrbeauftragter der Universität Mainz seit 2008
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